Purabo: inaktiv
So wie sie war keine: GladÂbachs Fan-OriÂginal ​„Walli“ fuhr mit ĂĽber 80 Jahren zu allen AusÂwärtsÂspielen. Heute vor zwei Jahren verÂstarb sie. WĂĽrÂdiÂgung eines besonÂderen Fans und MenÂschen.
Der folÂgende Text erschien in unserer TitelÂgeÂschichte ​„Ein Leben lang“ in AusÂgabe 194.
Es ist spät abends auf der RĂĽckÂfahrt von Berlin, irgendwo in NieÂderÂsachsen. Im MönÂchenÂgladÂbaÂcher SonÂderzug zurĂĽck vom Spiel bei Hertha schlafen schon einige, wähÂrend in anderen WagÂgons der Pegel noch mal ordentÂlich nach oben getrieben wird. PlötzÂlich kommt es in einem Abteil zu einer SchubÂserei, Bier wird verÂschĂĽttet, hefÂtige Worte fallen. Jetzt muss die ordÂnende Hand des Gesetzes her, schnell macht sich jemand auf, schiebt einige Meter weiter die TĂĽren zur Seite und sagt: ​„Walli, du musst kommen.“ WalÂtraud HamÂraths, die wirkÂlich jeder nur als Walli kennt, verÂsteht den AufÂtrag, erhebt sich und greift ihren GehÂstock.
Sie trägt eine schwere Kutte, vom JeansÂstoff ist vor lauter AufÂnäÂhern nichts mehr zu sehen. Ihre Haare sind rot gefärbt, doch auch sonst wĂĽrde sie hier im SonÂderzug jeder erkennen. ​„Oh, oh, die Walli ist im Anmarsch“, sagen manche, andere weiÂchen extra aufÂfällig zur Seite, doch neben dem SpaĂź ist hier jedem MitÂfahrer, egal welÂcher KleiÂderÂgröße und welÂchen Alters der Respekt vor Walli anzuÂmerken. Als sie am Ort des GescheÂhens einÂtrifft, teilt sie ihre erste MaĂźÂnahme mit: ​„So, jetzt GejenÂĂĽberÂstelÂlung.“ Dann hört sie sich die jeweiÂligen Anklagen an. Und kurze Zeit später, ohne dass es selbst diploÂmierte SoziÂalÂpädÂagogen erklären könnten, hat sich die Lage beruÂhigt.
Walli ist 82 Jahre alt. Sie fährt zu jedem Spiel, in HamÂburg, MĂĽnÂchen, MarÂseille, ManÂchester, FloÂrenz. LiverÂpool? Da ist sie schon zehn Mal gewesen. Beim Spiel in Berlin stand sie schon um halb sieben am BahnÂsteig, um auf den SonÂderzug zu warten. Dann verÂkaufte sie in einem Abteil FĂĽnf-Liter-FässÂchen. Wenn sie EckÂdaten aus ihrem Leben erzählt, setzt sie diese in Bezug zur Borussia. ​„Ich het mit 21 jeheiÂratet, da warn wa noch nich in de BunÂdesÂliga.“ Sie erzählt, dass die Borussia auch einst unter dem glorÂreiÂchen Trainer Hennes WeisÂweiler in Abstiegsnot geraten sei. ​„Wir warn schon immer ​’ne Hau-Ruck-MannÂschaft.“ Das ist einer ihrer LiebÂlingsÂsätze.
Walli wohnt unweit des alten BökelÂbergs, sie kocht Kaffee und bringt ​„Schnupp“, also SĂĽĂźes, fĂĽr BesuÂcher. Dann schĂĽttet sie aus einem alten Karton EinÂtrittsÂkarten, StadtÂpläne von euroÂpäiÂschen MetroÂpolen und EinÂlaÂdungen zu Festen auf den Tisch. Schon als TeenÂager ist sie mit dem Bus zu den AusÂwärtsÂspielen gefahren. In Essen geriet sie mit einem Mann in Streit und verÂpasste ihm eine OhrÂfeige. Sie selbst kam mit einem VeilÂchen nach Hause. Das war kein ProÂblem, so war das damals, sagt sie. Als einmal am BökelÂberg ein Fan GĂĽnter Netzer als ​„schwulen Idioten“ bezeichÂnete, schubste sie den Pöbler den matÂschigen TramÂpelÂpfad hinÂunter. ​„Der sah aus, total verÂdreckt. Und ich bin abjeÂhauen.“